Die ersten Tage in Den Haag II - von der 6. UN-Klimakonferenz 2000 

Da ich nicht weiss, wer spaeter zu welchen Teilen meine Handy-Rechnung uebernimmt, berichte ich lieber per mail ausfuehrlich ueber die ersten Tage. Das Schlimmste war bisher die Anreise: dank perfekter Zusammenarbeit der Deutschen und Niederlaendischen Bahn, sowie Baustellen und Selbstmoerdern kamen wir mit drei Stunden Verspaetung in Den Haag an. Der Gedanke, dass ich in einer Reisezeit von 12 Stunden auch aus Tokyo haette anreisen koennen, ist durchaus erheiternd, allerDings waere ich dann bequem in einem Flieger gesessen, bei dem, falls er havariert, man den Aerger einer Verspaetung nicht mehr erleben muss. Ausserdem sind dort Essen und Getraenke kostenlos, im Gegensatz zum Nahrungsangebot der Deutschen Bahn, fuer die bereits Großmuetter in Zahlung genommen werden, aber nur, wenn sie stricken koennen, ohne Maschen fallen zu lassen. 
Nach der Anreise gestaltete sich alles Weitere auesserst angenehm: wir wohnen in einem Ferienpark direkt am Meer, einem Nest wohlgeordneter gleichfoermiger Drei-Zimmer-Ferienhaeuschen mit allem nur erdenklichen Komfort. In der Kueche Spuelmaschine und Microwelle, im Wohnzimmer - hoch, gekachelt, mit Kamin und weitlaeufiger Sitzecke ein grosser Fernseher, auf dem man auch einige deutsche Programme bekommen kann. Die Ausnahme dabei ist RTL2, sicher wollte man sich im eigenen Lande die BigBrother-Konkurrenz vom Leibe halten. Auch eine Sauna im Wandschrankformat gibt es - besser so, so kann mein verklemmtes Ich seine gemischte-Sauna-Phobien getrost schlafenlegen, mehr als eine Person wird schwerlich in der Sauna Platz finden. 

Die Konferenz ist groß (10.000 Teilnehmer!) und dafuer erstaunlich gut organisiert. Meist finden 4 oder 5 Events gleichzeitig statt, Ueberschneidungen sind an der Tagesordnung, doch noch wirken die gerade angereisten Delegierten saemtlich frisch und ungestresst. Die Outfits sind offiziell aber nicht edel, angemessen, koennte man sagen, eine Verkleidung, die man, um des Anlasses Willen durchaus ein paar Tage aushalten kann. An der Krawatte sollst Du ihn erkennen, den Delegierten, Wissenschaftler oder Pressemenschen und tatsaechlich lassen sich perse Traegertypen muehelos identifizieren. Wissenschaftler tragen gerne bunte unkonventionelle Kravatten z.B. mit Comicmotiven, waehrend der gemeine Pressemensch sich einen lieblos ausgesuchten Binder um den Hemdkragen wirft. Unauffaellig angepasste Krawatten deuten auf ein wenig ausgepraegtes Selbtbewusstsein hin, der Traeger moechte nicht unangenehm auffallen. Die seltene Spezies der modisch herausstechenden, aber dennoch geschmackvollen Krawatte findet sich zumeist bei juengeren Delegierten - hier findet man den Drang zur Selbstdarstellung mit dem Zwang zur Angemessenheit aufs harmonischste vereint. 
Selbstdarstellung ist hier ein sehr wichtiges Wort, vor allem fuer die Delegierten, denn die Devise heisst: Ihr seid nicht Ihr, Ihr seid ein Land, und so wird gegen jeden gesunden Menschenverstand mit der Brechstange verhandelt. Bis zur letzten Sekunde darf keinen Millimeter von den nationalen Forderungen abgewichen werden und wenn man dabei noch so viel Konsensuspotential vergibt. Offizielle Verhandlungen sind dabei zaeh und oede, man wuenschte, die Delegierten wuerden sich lieber ordentlich pruegeln, das waere unterhaltsamer, ginge schneller und wuerde wahrscheinlich zu einem stimmigeren Ergebnis fuehren. Wie immer macht die Schwierigkeiten nicht das Problem das es zu loesen gilt, sondern die Menschen, die es loesen sollen. Englisch ist die Hauptsprache, aber exotischen Voelkern wie Japanern, Arabern und Franzosen bleibt es vorbehalten, selbiges weder zu sprechen noch zu verstehen, weswegen Uebersetzer bemueht werden muessen. Um den interessierten Teilnehmer in diesen Genuss zu bringen, werden Empfaenger mit Kopfhoerern verteilt. Die Geraete haben mehrere Kanaele, so dass man bequem zwischen den Sprachen hin und her schalten kann, was bei langweiligen Beitraegen durchaus spannend sein kann. Mein Favorit ist der arabische Uebersetzer, bei dem jeder Beitrag wie ein minutenlanger Fluch klingt. Ich koennte ihm stundenlang zuhoeren, wie er ueber die Schoehnheit von Kameldung zu sinnieren scheint. 
Ueber meine Kollegen habe ich schon eine Menge anderer deutscher Wissenschaftler kennengelernt, sie wirken allesamt sehr nett und angenehm, ein Eindruck, der durch das Tragen von besagten Comickravatten, lustigen Hueten und bunten Stoffschlafanzuegen (natuerlich im Haus, ist doch klar!) noch verstaerkt wurde. 
Oft vergesse ich, dass das ganze eigentlich eine grosse Werbeverantstaltung fuer meine berufliche Zukunft ist und lasse es an dem noetigen Ernst fehlen, danach hoffe ich immer instaendig, dass man es mir als deutschem Wissenschaftler-Nesthaekchen nochmal verzeihen wird. *g* Beispielsweise findet man in marmornen Ecken immer wieder Fernsehreporterinnen, die sich fuer eine Kurzreportage vor Ort zurechtkaemmen - schon wenn ich ihrer angesichtig werde, verspuere ich einen tiefen inneren Drang "Laufmaaaaaascheeeee!" zu schreien, oder ihnen im Vorbeigehen einen Hanuta-Sticker ins Haar zu kleben. Naja, kindisch waehrt am laengsten. :) So, das wars fuer's erste von der COP. 

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